CHAOS UND FRAKTALE
«Ich sage Euch: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage Euch: Ihr habt noch Chaos in Euch.  (F.Nietzsche in Zarathustra)


1. Chaos
1.1 Beispiele für chaotische Erscheinungen
1.2 Nichtlineare Gleichungen
1.3 Attraktor
1.4 Turbulenz
1.5 Iteration, Rückkoppelung
1.6 Beispiele Iterationen
1.7 Beispiel algebraische Iteration
1.8 Die geometrische Iteration
1.9 Bifurkation
2. Fraktale
2.1 Beispiele von Fraktalen
2.2> Selbstähnlichkeit bei fraktalen Gebilden
2.3 Wie lang ist die Küste Grossbritanniens?
2.4 Nichtlineare Fraktale
2.4.1 Mandelbrot-Mengen
2.4.2 Julia-Mengen
3. Fraktale im Unterricht
3.1 MandelZot - Kurzeinführung in ein Sharewarprogramm (Mac)
4. Materialien
4.1 Literatur
4.2 Links

1. Chaos

Eine wachsende Anzahl von Wissenschaftlern entwerfen heute neue, gewagte Perspektiven: «Der Aufbau und das Verhalten lebender Systeme sind in ihrer Variabilität und Kompliziertheit gleichermassen dem Chaos wie einem regelmässigen Muster nahe.» Mit Hilfe des Computers zeigen sie uns, was man erst zu lernen beginnt ­ die Gesetze des Chaos, der Unregelmässigkeit, des Unvorhersagbaren, welche hinter den meisten Dingen unserer Welt stehen (der menschliche Herzschlag und menschliches Denken, Wolken und Gewitter, die Strukturen der Galaxien, das Entstehen eines Gedichtes, die Ausbreitung eines Waldbrandes, eine gewundene Küstenlinie, Ursprung und Evolution des Lebens). Auf welche Weise Ordnung zerfällt und ins Chaos übergeht und wie Chaos Ordnung schafft, hier überschneiden sich die wissenschaftlichen Disziplinen. Das gemeinsame Werkzeug aller Chaosforscher ist aber der Computer. 

In der Alltagssprache gilt Chaos als das Gegenteil von Ordnung. Griech. = gestaltlose Urmasse. Nach Hesiod (700 v.Chr.) war im Anfang das Chaos (die grenzenlose, gähnende Leere) aus der Gaia (die Erde) entstand. In der Bibel: « ...und die Erde war wüst und leer». Alte Völker glaubten, die Kräfte des Chaos und der Ordnung seien Teil einer unbehaglichen Spannung. Dabei dachten sie an etwas Unermessliches und Kreatives. Die ägypter stellten sich das frühe Universum als einen gestaltlosen Abgrund namens Nut vor. Nut gebar Ra, die Sonne. In einer chinesischen Schöpfungsgeschichte entspringt ein Strahl reinen Lichts, Yang (männliches Prinzip), dem Chaos und errichtet den Himmel, während das zurückbleibende schwere Trübe, Yin (weibliches Prinzip), die Erde bildet. Zuviel Yin oder Yang wird das Chaos zurückbringen. Die mythische Vorstellung beruht also auf der Vorstellung, dass die kosmische Schöpfungskraft auf einer wechselseitigen Beziehung zwischen Ordnung und Unordnung beruht. Im Modell erscheint die Ordnung als kleiner Bereich innerhalb eines weiten Feldes des Chaos. Im Chaos gibt es Inseln der Stabilität. Mathematiker, Naturwissenschaftler reden von «chaotischen» Systemen, wenn deren Entwicklung nicht determiniert, nicht vorhersagbarist. Paradox erscheint der Begriff «deterministisches Chaos», welches auf den ersten Blick als blosser Zufall erscheint, aber streng gesetzmässig entsteht (z.B. in Turbulenzen). Trotzdem ist das Verhalten deterministisch chaotischen Systeme nicht berechenbar, da sie auf kleinste Veränderung der Anfangsbedingungen reagieren. (Geo Wissen 93) 

Im rationalistischen-mechanistischen Weltbild hatte das Chaos in der Wissenschaft keinen Platz. Erst die «unlösbaren» Aufgaben in der Mathematik öffneten die Türen und machten chaotische Vorgänge Paradoxa, Turbulenzen in Mengen verständlich und sichtbar. Chaotische Prozesse können durch geringste Veränderungen ausgelöst werden. Ein labiles Gleichgewicht verwandelt sich plötzlich in ein grosses Ungleichgewicht. Die bestehende Ordnung beginnt plötzlich «ver - rückt» zu spielen. Das Chaos kann in allen Lebensbereichen auftreten und ist aber nicht programmierbar. Die Angst vor dem Chaos können wir nur bewältigen, indem wir seine Unvorhersehbarkeit akzeptieren. 

1.1 Beispiele für chaotische Erscheinungen:

  1. Rauchfahnen: Zuerst steigt Rauch (Zigarette, Raucherstäbchen) linear auf. Bald erreicht er aber eine Stelle, wo er sich wirbelnd auszubreiten beginnt. 
  2. Wetter: Lange meinte man, es wäre mit genügend Daten von vielen Messstationen möglich, den Austausch von Hoch- zu Tiefdruckgebieten zu berechnen und somit das Wetter längerfristig vorherzusagen. Die kleinste änderung eines Faktors, der das Wetter beeinflusst, kann aber unerwartete und chaotische Auswirkungen haben. 
  3. 3.Weltall: Einst glaubte man noch an die Sphärenharmonie und an die Idee, dass im All alles schön rational geordnet seine Bahnen zieht. Heut kennt man aber Hyperion (einen Saturnmond), der «chaotisch» herumtorkelt. 
  4. Tropfenbildung am Wasserhahn: Nach logischer überlegung müsste der Wasserstrahl nach unten immer dünner werden, - er bildet aber Tropfen. 
  5. Verkehrschaos: Beim wachsenden Verkehr wird alles nicht einfach etwas langsamer, sondern irgendwann nach chaotischen Schnell- und Schleichphasen kommt plötzlich der Zusammenbruch. 
  6. Klimaumschlag in Südamerika «El Niño: In Südamerika gibt es ein Gebiet, in dem zeitweise das Klima durch das Ansteigen der Temperatur um mehrere Grade umkippt, was zu Folgeschäden wie Tiersterben führt. 
  7. Pendel: Ein Pendel, das ich an einer zweiten Schur aufhänge, entwickelt je nach Anfangsimpuls ganz andere chaotische Schwingungen. Die Bahn eines chaotischen Pendels ist nicht mehr im voraus berechenbar. Wenn wir es loslassen, folgt es zuerst den mechanische Gesetzen. Kleinste änderungen bewirken etwas Unvorhersagbares (Schmetterlingseffekt), und die Kausualität stimmt nicht mehr. 
  8. Wirbelbbildung im Fluss, Bergbach, Kanal: Im Kanal fliessen zwei gleiche Bretter mit einer starken Kausualität (vorhersagbar). Im Bach mit Steinen aber ist keine Aussage möglich. 
  9. Modell Fuchs/Maus: x1 = ax (1 - x) ­> Formel mit Ausgangspunkt Fuchspopulation (x1), Bremsterm (1-x) zur Rückkoppelung. Wovon hängt die Entwicklung ab? Von der Anzahl der Anfangstiere? Nein: Vermehrungsfaktor! Mehr Füchse ­> weniger Mäuse, keine Mäuse ­> Aussterben der Jäger. Chaotische Entwicklungserscheinungen mit scheinbar stabilen Zwischen-phasen, bis einmal plötzlich der Systemzusammenbruch kommt. Was ist effektiv und wie beeinflussbar? 
  10. Wellenbildung 
  11. Plötzliche Naturgewalten 
  12. Videorückkoppelung 
  13. Börse 
  14. Wirtschaft 
  15. Leben, Krankheit, Herzstillstand, Tod
  16. Lehre und Lernen

1.2 Nichtlineare Gleichungen

In nichtlinearen Gleichungen kann die änderung einer variablen eine völlig, ja katastrophale Auswirkung auf andere Variablen haben. Zum Beispiel kann man damit beschreiben, wie dein Erdbeben losbricht, wenn zwei Platten an der Oberfläche der Erdkruste gegeneinander drücken. Die dabei entstehende Spannung kann jahrzehntelang allmählich ansteigen, bis plötzlich ein «kritischer» Wert erreicht wird. In der nichtlinearen Welt sind aber exakte Vorhersagen praktisch wie theoretisch unmöglich. Mittels Modellen lassen sich aber in Systemen kritische Punkte aufspüren, in denen eine kleine Veränderung grosse Wirkunghervorbringen kann.

1.3 Attraktor

In einfachen, regelmässigen Systemen tritt periodisches Verhalten auf (periodische Schwingungen mit wiederkehrender Rückkehr zu den Anfangsbedingungen (Violinsaite, Pendel, Tag und Nacht). Die Schwingungen eines Pendel bewegen sich von vom grössten Ausschlag links (Impuls Null) zum tiefsten Punkt (grösste Geschwindigkeit) zum grössten Ausschlag rechts (Impuls Null). Im Phasenraum dargestellt, strebt das Pendel durch den Luftwiderstand gebremst dem Ruhepunkt zu. Diesen Punkt nennen die Mathematiker einen Anziehungspunktoder «Attraktor». Der Attraktor ist also ein Gebiet im Phasenraum, das eine Anziehungskraft auf ein System ausübt. Ein chaotischer Attraktor besitzt eine selbstähnliche, fraktale und nicht vorhersehbare Struktur und Lebensdauer. Der Ablauf seiner Bahn ist empfindlich von Anfangsbedingungen abhängig. Es können mehrere Attraktoren gleichzeitig existieren. Unwesentlich erscheinende Attraktoren können blitzschnell ungeahnte Effekte herbeiführen. Attraktoren im Chaos sind zeitlich begrenzt, da sich während einer Stabilitätsphase alle nicht am Attraktor beteiligten Faktoren weiterentwikkeln und den Attraktor irgendwannzu Ende führen. Zusammenbruch ­>Verunsicherung, Neuorientierung, Angst vor Chaos, ...

Beispiele für Attraktoren: 

  1. Wurzelziehen:Irgendeine Zahl wählen und mehrmals die Wurzel ziehen: ­> immer 1. Nach vielen Iterationen (Rückkoppelung) zielt die Zahl immer gegen den Attraktor 1. 
  2. Chaotische Pendel: Ein Pendel schwingt immer auf die grösste Höhe links und rechts aus (dort Geschwindigkeit 0). Aber schlussendlich pendelt es unten aus (Attraktor).
Lorenz-Attraktor:

Lorenz entdeckte 1960 das nichtlineare dynamische System des Wetters. Ein mit Messungen bestimmter Anfangspunkt (Zustand) erhält durch die Verknüpfung mit dem Gesamtsystem eine unermessliche Unbestimmtheit. Der wahre Zustand kann in jedem Punkt des Attraktors liegen. Bsp. Wetter - lokal unvorhersagbar, aber global stabil. 

1.4 Turbulenz

Turbulenzen treten überall in der Natur auf (Luftströmungen, Lava, Um-spülungvonSteinen, Wetterkatastrophen) und stellen die Menschen oft vor grosseProbleme. Bei gleichmässig fliessendem Wasser entstehen stabile Wirbel, die einen punktförmigen Attraktor haben und nach Störungen zum gleichen Grundmuster zurückkehren. Bei zunehmender Strömungs-geschwindigkeit werden die Wirbel instabil, fransen aus (Grenzzyklus),und zuletzt scheint jedes Wasserteilchen (Wirbel im Wirbel im Wirbel) sich zufällig und chaotisch zu bewegen (seltsamer Attraktor).

1.5 Iteration, Rückkoppelung

Von at. «iterare» = gebrochen. Rückkoppelung durch Wiederaufnahme und Wiedereinbeziehung von allem, was vorher war (Bsp.: Erneuerung aller Körperzellen in etwa 7 Jahren, künstliche Intelligenz, Wettersysteme). Wiederholte Anwendung einer Rechenvorschrift, wobei jedes Ergebnis als Ausgangspunkt für den nächsten Schritt dient. Negative (hemmende) und positive (verstärkende) Rückkoppelungen entdeckte man bei Mikrophonen, die zu nahe am Lautsprecher sind und durch das Rückschicken des aufgefangenen Tones auf den Verstärker ein chaotische Geräuschproduziert. Rückkoppelung ist Spannung zwischen Ordnung und Chaos. Rückkoppelungen kommen überall auf vor: Auf allen Ebenen de Lebendigen, in psychologischen Abläufen, in der Evolution des ökologische Gesamtsystemes und in mathematischen, nichtlinearen Gleichungen.

1.6 Beispiele Iterationen

- Zahlenverdoppelung (exponentielles Wachstum). x1 = 1, x2 = 2, x3 = 4; 8, 16, 32, x1 = 1.5, x2 = 3, x3 = 6; 12, 24, 48,

- Verdoppelung der Zahlen mit Weglassen des ganzzahligen Anteils x1 = 0.9134, 2xn = 1.9134 ­> 0.9134; x1 = 0.707070; 0.414141; 0.828282; 0.656565; 0.313131; 0.626262; 0.252525; 0.505050; 0.010101; 0.020202; 0.040404; 0.080808; 0.161616; 0.323232; 0.646464; 0.292929; 0.585858; 0.707070. Nach 17 Iterationen landen wir bei der Ausgangszahl.

- x1 = 0.707070; Wenn wir in der 4. Dezimalstelle einen kleinen Fehler machen ­> 0.707170 bläht sich der Fehler bis zur 11. Iteration so auf, dass sich die Zahlenfolge vollständig von der ursprünglichen entfernt. 0.707170; 0.414341; 0.828682; 0.657365; 0. 314731; 0.629462; 0.258924; 0.517849; 0.035698; 0.071396; 0.142792; 0.285584

- Nicht nur Gleichungen haben eine extreme Empfindlichkeit gegenüber ihren Anfangsbedingungen. Forscher beobachten dieselbe Dynamik in Flüs-sigkeiten. Bsp. Kleine Wirbel im Blutstrom, in dem bebachbarte Punkte nebeneinanderherfliessen oder in völlig anderen Bereichen der Flüssigkeit landen können (Schmetterlingseffekt). 

- Das Dehnen und Falten im Teig eines Bäckers zeigt bildhaft die Bewegungen, wie sie in nichtlinearen Iterationen vorkommen. Benachbarte Punkte des Teigs geraten auseinander, und es entsteht ein komlipziertes , unvorhersagbares Muster. 

- Seltsame Attraktoren und Iterationen sind mitten in Ordnungen anzutreffen und können Phänomene wie einen Herzanfall bewirken.

1.7 Beispiel algebraische Iteration

Eine Iteration liegt vor, wenn mit einer Zahl eine Rechnung ausgeführt wird, dann mit dem Resultat als Ausgangspunkt dieselbe Rechnung, mit dem neuen Resultat wiederum dieselbe, usw. Die Iteration und die damit verbundene Rückkopplung stellt eines der wichtigsten «Werkzeuge» bei der Entwicklung mathematischer Fraktale dar. Das Prinzip der Rückkopplung und der Iteration ist sehr alt. Es war bereits den sumerischen Mathematikern vor rund 4000 Jahren bekannt (beispielsweise benutzten diese iterative Schritte zur Berechnung der Quadratwurzel einer Zahl). 

Mit dem Taschenrechner und dem Begriff Quadratzahl können wir einen ersten Einblick gewinnen. Es wird eine reelle Zahl c als Konstante gewählt und nun eine Zahlenfolge hergestellt. 

a0= 0 Mit der Ausganszahl a0, hier der 0, beginnend, wird eine Rechenoperation a1= a02 + c ausgeführt, mit dem Resultat dieselbe, usw. Kurz: Es wird eine Folge von a2 = a12 + c Iterationen berechnet. Im allgemeinen strebt die Folge gegen ƒ oder einen durch c bestimmten Grenzwert,den wir g(c) nennen. So erhalten wir z.B. g (0,2) ª 0,28 und g (-0,5) ordf;-0,37. Trägt man g(c) über c in ein Koordinatensystem ein, ergibt sich so zunächst eine Kurve. Geht man aber zu kleineren (c) über, dann tritt etwas überraschendes ein. Bei (c) -1,1 etwa pendeln sie Folgenglieder, die mit geradem Index streben gegen eine andere Zahl, als die mit ungeradem Index. Man nennt diese Zahlen Attraktoren, weil sie die Zahlen der Folge gleichsam anziehen. Im Achsenkreuz verzweigt sich die Kurve nach links. Zu einem c gehören nun zwei Zahlen g(c). Bei übergängen zu noch kleineren c-Werten zeigt sich, dass sich auch diese Zwei wieder verzweigen. Wir erhalten dann 4 Attraktoren, danach 8, S . Bei etwa c ‚ -1,5 ergibt sich eine völlig neue Situation. Nun ist überhaupt keine Struktur zu erkennen. Man spricht von der Strukturlosigkeit des Chaos. Der Mathematiker Feigenbaum stellte dies in seinem «Feigenbaumdiagramm» dar (siehe Werkstattposten Chaos, Bifurkation). Wir untersuchen nun, was kleine änderungen im Rechenprozess (an+1=an2+c) bewirken, wenn wir für a = (0.5/1.5/ und C= (1/-1/) einsetzen. Das Ergebnis der zweiten Iteration (a = 0,5; C = -1) ist überraschend. Es entstehen zwei Folgen mit verschiedenen Grenzwerten, nämlich -1 und 0. Man nennt diese beiden Zahlen Attraktoren (attrahere = heranziehen). Bei der Ausgangszahl a = 1,5 führt zu den gleichen Attraktoren, aber die Ausgangszahl 2 strebt gegen ƒ. 

Die Entdeckung, dass zwei sich beliebig wenig voneinander unterscheidende Zahlen sich bei der Iteration völlig verschieden verhalten, also zu gänzlich anderen Ergebnissen führen, kann mit bestimmten Situationen in der Natur verglichen werden. So können zwei eng benachbarte Regentropfen über einer Wasserscheide in die Nordsee oder in das Mittelmeer gelangen (Schmetterlingseffekt). 

1.8 Die geometrische Iteration

Fraktale kann man auch rein geometrisch gewinnen, indem man von einer einfachen Punktmenge M0 ausgeht. An ihr werden nun gleichzeitig mehrere Abbildungen vorgenommen und die Bilder zu einer neuen Punktmenge M1 vereinigt. Im nächsten Schritt wird mit M1 ebenso verfahren. 

1. M0 wird um 0 im Verhältnis 1:÷2 zentrisch gestreckt und um 0 um 45° gedreht.
2.M0 wird in derselben Weise gestreckt, aber nun um 0 um 135° gedreht und um 1 nach rechts verschoben.

1.9 Bifurkation 

Wenn die Geburtenrate einer Tierpopulation unter 1 ist, wird die ganze Population auf 0 abfallen und erlöschen. Ist sie aber grösser, wir sie zunächst abfallen, um sich dann auf einem konstanten Wert (ca. 2/3 der ursprünglichen Grösse) einpendeln. Es scheint, dass 66% ein Attraktor geworden ist. Bei einer Erhöhung der Geburtsrate auf den kritischen Wert 3,0 passiert etwas Neues. Der Attraktor 0,66 wird instabil und spaltet sich in zwei, d.h. die Population nähert sich nun nicht mehr einem Wert, sondern schwankt zwischen zwei stabilen Werten hin und her. Bei einer weiteren Erhöhung über 3,4495 ergibt sich eine neue Spaltung (4 Werte) und ab 3.56 haben wir Bifurkation in acht Fixpunkten (Periodenverdoppelung). Ab 3,56999 wird die Anzahl der Attraktoren unendlich gross und endet im Chaos. 


2.Fraktale

Von lateinischen « frangere, fractum» = brechen, gebrochen. Mit Hilfe der fraktalen Geometrie lassen sich Ordnungsprinzipien im Chaos zeigen. Der Begriff wurde 1975 vom Mathematiker Benoit Mandelbrot geprägt. Fraktale sind oft selbstähnliche Gebilde, deren Ränder nicht glatt, sondern unendlich rauh sind. Jede Vergrösserung zeigt wiederum neue, ähnliche Strukturen (Apfelmännchen). Das Aussehen im Detail wird in immer kleineren Skalen beibehalten. Fraktale Gebilde haben eine gebrochene Dimension (Würfel = 3 Dimensionen). Viele natürlichen Formen und nichtlineare Systeme haben fraktale Eigenschaften oder verhalten sich fraktal (Wolken, Gebirge, Bronchien, Pflanzen, Galaxien, Küstenlinien, Lunge, Wetter, Blutkreislauf, Gehirne). Die Anziehungskraft der Fractale liegt vermutlich darin, dass in jedem seiner «Teile» ein Bild des Ganzen enthalten ist. 

2.1 Beispiele von Fraktalen

Z2+C= irgend eine beliebige Zahl. Diese Formel schickt der Computer auf eine Reise in die Mandelbrot-Menge. Z ist eine komplexe Zahl, die sich ändern kann, und C ist eine feste komplexe Zahl. Der Computer muss das Ergebnis der Addition in der nächsten Runde für Z einsetzen.

Nach Mandelbrot zeigt sich die fraktale Struktur von Turbulenzen, dass sie in Böen auftritt. In einer stürmischen Nacht wird der Wind plötzlich nachlassen, dann wieder aufleben, Blätter kreisen lassen, bis sie wieder niedersinken.. Diese Turbulenzen wiederholen sich in immer kleinerem Massstab. 

Auch die von Lorenz als chaotisch erkannten Verhaltensmuster des Wetters hält man heute für fraktal. Die Verzweigungen eines lebenden Baumes sind offensichtlich fraktal. äste haben Zweige, diese haben wieder kleinere Zweige, und die Details wiederholen sich bis zum kleinsten Zweiglein. Leonardo da Vinci stellte dazu schon fest, dass die äste bei fortschreitender Verzweigung gerade so dünner werden, dass die Gesamtdicke (alle äste zusammengepackt) insgesamt gleich bleibt.

Fraktale acht- bis 30fache Verzweigungsstruktur der Venen und Arterien zur Blutversorgung. Fraktale Selbstähnlichkeit durchzieht die Körper der Organismen. Der Körper ist eine Vernetzung von lauter selbstähnlichen Systemen. Kunst: Labyrinthe, iterative Sprachspiele, Gesangsmuster, raffiniert verflochtene keltische Zeichnungen, archetypische Muster auf rituellen, alten Gefässen rufen in uns oft das Gefühl des Wiedererkennens (des schon Gesehenen) hervor und hängt mit Fraktalen und Attraktoren zusammen. Auch die Kunst geht der Spannung zwischen Ordnung und Chaos nach.

2.2 Selbstähnlichkeit bei fraktalen Gebilden

Schon um 1900 fand der Mathematiker Koch ein fraktales Gebilde, indem er eine gegebene Strecke drittelte und über dem mittleren Drittel ein gleichseitiges Dreieck errichtete. Mit den entstandenen vier gleich langen Strecken machte er nun dasselbe wie mit der Ausgangsstrecke, usw. Wenn man von einem gleichseitigen Dreieck ausgeht, entsteht ein schneeflockenähnliches Gebilde (Schneeflockenkurve) das, obwohl geschlossen, unendlich lang ist. 

Die entstehenden Formen sind selbstähnlich. Ein Figur heisst selbstähnlich, wenn Teile der Figur kleine Kopien der ganzen Figur sind. Farne zeigen z.B. als Ganzes, in den Verstrebungen und den Unter-Verstrebungen ebenfalls Selbstähnlichkeit. Ein mit einem Fraktal-Programm auf dem Bildschirm gezeichnetes Farnblatt lässt sich kaum von einem echten unterscheiden. Andere Beispiele aus der Natur: Blumenkohl, die Zweige eines Baumes, …

 
«Sie werden es riskieren, ihre kindlichen Vorstellungen von Wolken, Galaxien, Blättern, Federn, Blumen, Felsen, Bergen, Sturzbächen, Teppichen, Steinen und vielen anderen Dingen zu verlieren. Es wird kein Zurück zu ihrer alten Auffassung dieser Dinge mehr geben.» (Michael F. Barnsley)

2.3 Wie lang ist die Küste Grossbritanniens?

ähnliche Erscheinungen haben wir, wenn wir die Länge einer Küste berechnen wollen und die Feinheit bis auf die Grösse eines Sandkornes wählen. Misst man die Länge mit Stäben in Metergrösse, könnte man sagen, die Anzahl der Stäbe, die ich benötige, um sie einmal der Küste entlang auszulegen, entspricht der Küstengrösse Grossbritanniens. Doch wenn man dasselbe noch einmal mit kürzeren Stäben macht, könnte man feineren Kurven der Küstenlinie folgen. Würde diese Länge addiert, würde eine grössere Küstengrösse herauskommen. Je kleiner die Stäbe, desto feiner die Verästelungen, denen sie folgen können. Die Küstenlänge wächst ins Unendliche. Diese Gebilde, wie die genannte Küste, werden Fraktal genannt und ihre Länge wird in der fraktalen Dimension angegeben. Vorstellbar ist diese Zahl nicht, denn in der gewohnten Sicht der Welt kommt sie nicht vor. Es gibt keine drei Dimensionen, sondern fraktale Gebilde haben einen Bruch (=fractus) als Zahl ihrer Dimension. Die Küste besteht aus weiter Ferne betrachtet aus einigen grossen Buchten - je genauer man die Küste fokussiert, desto mehr kleinere Buchten in den grossen Buchten tun sich auf.

2.4 Nichtlineare Fraktale (Mandelbrot- und Julia-Mengen)

2.4.1 Mandelbrot-Mengen

Die berühmtesten Vertreter dieser Gruppe von Fraktalen sind zweifelsohne die Mandelbrot-Menge (auch M-Menge genannt) und die Julia-Mengen (Gaston Julia, 1893-1978). Diese Mengen haben, seitdem sie Mandelbrot Ende der 70er Jahren vorgestellt und somit der öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, einiges an Aufsehen erregt. Sie sind die Geburtsstätten der berühmtesten und schönsten Fraktal-Bilder der Welt. Bis heute haben sie viele Künstler inspiriert, die Wissenschaftler vor immer neue Fragen gestellt und die öffentlichkeit durch ihre faszinierende Farbenpracht und anmutig wirkende Formenvielfalt magisch angezogen. 

Die Mandelbrot-Menge ist das klassische Fraktal. Es ist einfach ein Graph in der kom-plexen Zahlenebene. Die x-Achse repräsentiert den Realteil, die y-Achse den Imginärteil einer komplexen Zahl. Es gibt keine isolierten Punkte in der komplexen Zahlenebene: Die Mandelbrotmenge ist zusammenhängend. Die obere und untere Hälfte der Bilder sind achsensymmetrisch zueinander. Die Hauptmotive scheinen sich zu wiederholen (aber nie genau gleich) bei Vergrösserungen. Die Ordnung im Chaos: Fraktale ähneln einander immer wieder selbst. Die Menge aller komplexen Zahlen c, für die die Folge

 

nicht gegen ƒ strebt, bilden die sog. Mandelbrotmenge (Apfelmännchen).

Der Mathemaiker Mandelbrot dehnte die Untersuchungen Feigenbaums auf die Menge der komplexen Zahlen aus und öffnete damit das Tor zur Welt der Fraktale. Einem c entspricht nun ein Punkt der komplexen Zahlenebene. Diesen Punkt färbte Mandelbrot genau dann schwarz, wenn die zugehörige Iterationsfolge nicht dem Betrage gegen ƒ strebt. Die Menge der so entstehenden schwarzen Punkte heisst Mandelbrotmenge oder wegen ihrer Form «Apfelmännchen». Wenn man dem Rand der scheinbaren Kurve entlang wandert, muss man sogar in den kleinsten Abschnitten laufend seinen Kurs ändern, weshalb Mandelbrot in Anlehnung an das Wort brechen (frangere, fractus) von einem Fraktal spricht

«Wolken sind keine Kugeln, Berge keine Kegel, Küstenlinien keine Kreise. Die Rinde ist nicht glatt - und auch der Blitz bahnt sich seinen Weg nicht gerade... Die Existenz solcher Formen fordert uns zum Studium dessen heraus, was Euklid als formlos beiseite läßt, führt uns zur Morphologie des Amorphen. Bisher sind die Mathematiker jedoch dieser Herausforderung ausgewichen. Durch die Entwicklung von Theorien, die keine Beziehung mehr zu sichtbaren Dingen aufweisen, haben sie sich von der Natur entfernt. Als Antwort darauf werden wir eine neue Geometrie der Natur entwickeln und ihren Nutzen auf verschiedenen Gebieten nachweisen. Diese neue Geometrie beschreibt viele der unregelmäßigen und zersplitterten Formen um uns herum - und zwar mit einer Familie von Figuren, die wir Fraktale nennen werden.» (Benoit Mandelbrot 1975 - Die fraktale Geometrie der Natur)
Seit der Entdeckung der fraktalen Geometrie vor knapp 20 Jahren ist man geteilter Meinung über ihre Bedeutung, sei es nun in der Mathematik oder in anderen Bereichen. Die einen stempelten Fraktale als belanglose bunte Bilderab, die lediglich eine Laune der Natur darstellen und keine weitere Betrachtun oder Untersuchung wert sind. Die anderen hingegen sprühten über vor Euphorie und versprachen sich von der neuen Welt, in die sie vollerübereifer vordrangen und die sie mit einer geradezu kindlichen Begeisterung und Faszination erkundeten, revolutionäre neue Erkenntnisse, die diebisherige Weltanschauung völlig verändern sollten.

 

2.4.2 Julia-Mengen

Nach dem französischen Mathematiker Gaston Julia sind die Julia-Mengen benannt. Die Julia-Menge verwendet die gleiche Iterationsvorschrift wie die Mandelbrot-Menge, nämlich zn+1 = zn2 + c, nur bleibt hier die komplexe Zahl c stets konstant. Dafür ist jetzt der Startwert z0 das Interessante.


3. Fraktale im Unterricht

Apfelmännchen (fraktale Geometrie) haben einen ästhetischen, einen mathematischen, einen philosophischen und einen wissenschaftlichen Reiz. Sicher also ein Thema, das auch Schülerinnen und Schüler begeistern wird, auch wenn der mathematische Hintergrund an der Sekundarstufe I recht anspruchsvoll ist. Bei diesem Thema lassen sich fächerübergreifende Brücken zur Biologie, Geographie, Physik oder der Kunst leicht herstellen.

3.1 Aufgaben und Kurzeinführung ins Programm: icon

1. Wähle zuerst im Menü «parameters» die Voreinstellungen : Grösse, Zentrum und Rechentiefe (Dwells - je nach Computerleistung).

param

start

2.Mit der Palette lassen sich die Farben anpassen:

pallette

3. Rechts am Rand das Grundbildes finden sich die Werkzeuge zu Vergrössern, Verkleinern und Verschieben des Bildes

4. Kannst Du eine ähnliche Fortsetzungsserie von Mandelbrotbildchen gestalten? Mit dem Programm Flash-It (Kontrollfeld) oder «Apfeltaste, Shift und 4» können die Bilder «fotografiert» (Zwischenablage) und z.B in einemTextdokument eingesetzt werden.

5.Wähle jeweilen nach der Teilauswahl (a) auch den Befehl. Vergrössere das neue Minifenster (b), und Du erhälst (c). Verändere nun noch die Einstellungen (Escape Radius) und vergrässere das Bild nochmals (d). Wenn es Stufen im Bild hat, kannst Du noch die Einstellung Maximum Dwell (50 ­> 1000) ändern. 

6. Interessant wird es natürlich auch, wenn Du die Voreinstellungen (im Fenster, das beim Anwählen von «New, specify center» auftaucht) zu verändern beginnst. Probiere ruhig alles aus. Mit «Full set» erhälst Du die Voreinstellungen wieder. Mit «New, default view» bekommst Du das erste Bildchen zurück. 


4. Materialien:

Literatur (ungeprüft)

«Chaos Managment», P. Müri, Heyne-Verlag, ISBN 3-453-03731-6

«Die Entdeckung des Chaos», Briggs/Peat, Hanser-verlag, ISBN 3-446-15966-5

Dilek Altin: «Mathematische Fraktale», Chaos Seminar, Fachhochschule München, Informationen aus dem Internet.

Div. Autoren: «Chaos/Fraktale», Computer und Unterricht 14, Erhard Friedrich Verlag GmbH & Co. Postfach 10 01 50, 30917 Seelze. 0511 40004-0 € Behr Reinhard: «Ein Weg zur fraktalen Geometrie», Klett Verlag, Stuttgart, ISBN 3-12-722410-9. Geo Wissen Nr. 3/83402, 1993: «Chaos und Kreativität». 

H.-O. Pleitgen (div. Autoren): «Fraktale», Klett Verlag, Stuttgart, ISBN 3-12-722430-3

«Konstruktivistische Modellbildung in der Informatik», H.Goorhuis, Dissertation Philosophische Faktultät, Universität Zürich, März 1994

H.-O. Pleitgen (div. Autoren): «Chaos», Klett, Stuttgart, ISBN 3-12-722440-9

Links (2014)

«Chaos - Logik - Denksport», im Rahmen des Schulunterrichts sind hier einige Links zur Chaostheorie, Fraktalen sowie zu Logik-Spielereien und Denksportaufgaben zusammengestellt. Das Niveau geht von SI über SII bis hin zur Vorbereitung und Arbeit an Hochschulen. (http://www.schulphysik.de/chaos.html)

«Fraktale Selbstorganisation», Annettes Phiosophenstübhen (http://www.thur.de/philo/as25.htm) 

«Julia and Mandelbrot Set Explorer - online», (http://aleph0.clarku.edu/~djoyce/julia/explorer.html) 

«Vorlesung Fraktale», WS 2.0, 186.120 Christoph Traxler, sehr gute Downloads in .pdf und PowerPoint Vorlagen, englisch (http://www.cg.tuwien.ac.at/courses/Fraktale/VO.html)

Programme:

«Easy Fractal 2.0», kostenlose Demoversionen zum Download, Shareware für Mac, (http://www.berkhan.com/demo.htm)


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